Der Meister der Verhandlung

„Bloß nicht die Muskeln spielen lassen“!

Solche oder ähnliche Sätze kann man in einem Training bei dem Harvard-Professor Robert Mnookin öfters hören. Ich selbst war zwar noch nie auf solch einem Elite-Training – aber ein mir nahestehender Kollege schon. Seine Erzählungen waren recht interessant, für ihn hilfreich und für mich bin ich in vielen Bereichen meiner Verhandlungskompetenz bestätigt worden. Selbstverständlich geht es auch immer noch besser!

Trotzdem ist es an dieser Stelle vielleicht für Sie liebe Leser interessant, was der Kollege so zu berichten hatte.

Stellen Sie sich vor – ein Schulungsraum wie Sie ihn sich so vorstellen. Sehr gute Ausstattung oder vielleicht sogar ein historischen Gebäude – also eine entsprechende Atmosphäre.
Etwa 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in Anzug und Krawatte bzw. Business-Kostüm, sitzen sich in Zweierpaaren gegenüber, die Augen geschlossen und einen Ellenbogen auf dem Tisch aufgestützt. Ihre Hände haben Sie zum Armdrücken verschränkt. Auf das Kommando von Herrn Professor R. Mnookin drücken die Gegner gegen den Arm des Anderen, so stark wie die Bizeps es möglich machen.
Natürlich wird auch der Erfolg gezählt. Jedes mal, wenn jemanden den Arm seines Gegners erfolgreich auf die Tischplatte gedrückt hat, bekommt er einen Punkt.

Nach einiger Zeit gibt der Professor ein weiteres Kommando und fragt in die Gruppe: „Wer hat null Punkte?“ Viele Meldungen! „Wer hat einen Punkt?“ Wieder einige Meldungen! „Mehr als zehn Punkte?“ Fast niemand. Nur zwei Männer, die im Spiel sich als Gegner gegenüber saßen, melden sich!
„Ich hab 19!“ erklärt der eine grinsend. „Und ich 20!“ erklärt der andere. Was war geschehen, das diese beiden in der gleichen Zeit so viele Erfolge zu verzeichnet haben – gerade auch noch unter dem Eindruck, dass sie ja Gegner im Spiel waren?! Erstaunen beim Rest der Gruppe.

Nun, diese zwei Teilnehmer hatten eine „Geheimvereinbarung“. Bevor das Spiel begann, sprachen sie sich untereinander ab, reduzierten ihre Muskelkraft auf Null und schanzten sich gegenseitig so viele Punkte zu, wie die Zeit es erlaubte.

Ohne Frage bekommen diese zwei Teilnehmer das volle Lob vom Professor: „So sehen gute und erfolgreiche Verhandlungen aus!“ Wurde er von meinem Bekannten zitiert.

Es gab natürlich im weiteren Verlauf des Trainings noch weitere Fallbeispiele, die von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen erledigt werden mussten. So gab es z. B. noch die Aufgabe, eine gealterte Operndiva in einer Verhandlung gegenüber zu treten.
Die Ausgangsbasis war, dass an dem gedachten Opernhaus die gebuchte Startsopranistin wegen Krankheit kurzfristig absagen musste. Es sollte nun diese nicht mehr so ganz frische Operndiva zum Einsatz kommen – natürlich für so wenig Vergütung wie nur irgend möglich. Den Verhandlungspartnern des Opernhauses konnten schon erahnen, dass die Diva sich nur dazu bereit erklären würde, wenn ihre Eitelkeit entsprechend befriedigt werden würde.

Die Teilnehmer konnte recht schnell die von Herrn Mnookin Absicht erkennen und gingen entsprechend vorbereitet in die Verhandlung. Sie boten der Diva zwar nur eine kleine Gage an, darüber hinaus wurde aber vereinbart, dass die Oper eine Autogrammstunde für die Diva organisiert und ein Fotoshooting bezahlt. So wurden die persönlichen Interessen der Diva befriedigt und auch die Oper konnte ihre Vakanz mit einem geringen Budget füllen.

Und was können wir davon lernen? Nun, die alte Formel „Win-Win“ scheint hier wieder stark in den Vordergrund zu rücken. Aber Mnookin geht hier noch einen Schritt weiter. Er will nicht nur die vordergründigen Interesse des Verhandlungspartners berücksichtigen, sondern eben auch die hintergründigen. Wenn wir als Verhandlungspartner diese erkennen und darauf eingehen, können wir Erfolg haben.

Wer noch mehr über Professor Robert Mnookin erfahren will, kann sich auch die auf YouTube die entsprechenden Aufzeichnungen von Trainingssituationen ansehen.

Viel Erfolg bei Ihrer nächsten Verhandlungen.

Matthias C. J. Dannhorn