Fachkräfte gewinnen durch flexible Teilzeitmodelle in der Berufsausbildung

Fachkräfte zu gewinnen wird für Unternehmen in Deutschland zunehmend schwieriger. Flexible Teilzeitausbildungsmodelle sind eine gute Option sich beim Wettbewerb um die besten Köpfe bestmöglich zu positionieren. Denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewinnt nicht nur im normalen Arbeitsverhältnis, sondern auch in der beruflichen Ausbildung immer mehr an Bedeutung. Insbesondere Frauen werden durch familiäre Verpflichtungen oft an einer qualifizierten Berufsausbildung gehindert. 2009 waren von rund 909.000 Auszubildenden im IHK-Bereich lediglich rund 360.000 Frauen. Aber auch Väter wollen sich immer stärker bei der Betreuung ihrer Kinder engagieren und es steigt die Anzahl der Familien, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen. Eine Teilzeitausbildung bietet den Betroffenen die Möglichkeit, familiäres und berufliches Engagement miteinander in Einklang zu bringen und sich dadurch als künftige Fachkraft für das ausbildende Unternehmen zu bewähren.

Formelle Voraussetzungen der Teilzeitausbildung

Ermöglicht wird die Teilzeitausbildung durch die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) im Jahr 2005. Gemäß § 8 Abs. 1 BBiG kann die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit in der Ausbildung unter bestimmten Voraussetzungen gekürzt werden. Die formalen Hürden sind dabei bewusst niedrig angesetzt: Voraussetzung ist ein gemeinsamer Antrag von Auszubildenden und Ausbilder bei der IHK und ein berechtigtes Interesse an der Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit. Von einem berechtigten Interesse wird dann ausgegangen, wenn Auszubildende beispielsweise eigene Kinder oder pflegebedürftige nahe Angehörige zu betreuen haben. Das angestrebte Ausbildungsziel muss aber auch in der verkürzten Zeit erreicht werden können. Gegebenfalls kann die Gesamtdauer der Ausbildung hierfür verlängert werden, zum Beispiel von drei auf vier Jahre. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, besteht bei Einvernehmen der Vertragsparteien ein Anspruch gegenüber der IHK, das Ausbildungsverhältnis auch mit einer verkürzten täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit einzutragen.

Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit

Eine gesetzlich festgelegte Untergrenze für die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit gibt es nicht. Maßgeblich ist, ob die Auszubildenden auch in der verkürzten Arbeitszeit mit den wesentlichen Betriebsabläufen vertraut gemacht und hinreichend in die betriebliche Praxis eingebunden werden können. Denn der Inhalt der Ausbildung bleibt gleich, er wird lediglich in eingeschränkter wöchentlicher oder täglicher Ausbildungszeit vermittelt. Betriebe erhalten dadurch die Möglichkeit, Ausbildung zeitverkürzt anzubieten, orientiert an den branchenüblichen Arbeitszeiten. Dabei sind unterschiedliche Modelle denkbar, die jeweils unter Berücksichtigung der gegenseitigen Belange mit der zuständigen IHK abgestimmt werden können. Beachtet werden muss allerdings, dass der Berufsschulunterricht sowie überbetriebliche Unterweisungen nicht gekürzt werden können. Grundsätzlich kann jeder Beruf in jedem Unternehmen im Rahmen des Dualen Systems auf diese Weise organisiert werden. Die Auszubildenden absolvieren unter diesen Voraussetzungen eine vollwertige Berufsausbildung.

Organisation und Durchführung Chance und Herausforderung

Für Betrieb und Auszubildende ist in der Vorbereitung und der Durchführung oft organisatorische Hilfe erforderlich. Das IHK-Netzwerk bietet Beratungsstellen zu Teilzeitausbildung. Ausbildungsberater informieren qualifiziert über Möglichkeiten, helfen bei der Stellensuche und werden vermittelnd tätig. Darüber hinaus gibt es bereits seit Januar 2005 in gemeinsamer Trägerschaft der Handwerkskammern (HWK) und Industrie- und Handelskammern (IHK) in Schleswig-Holstein eine umfassende Beratungsstelle, die sich für innovative Teilzeitausbildungsmodelle einsetzt, gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein und den Europäischen Sozialfonds (ESF).

Chancen und Herausforderungen

Die Teilzeitausbildung bietet für beide Vertragsseiten Vorteile: Das Unternehmen wird als familienfreundlicher Betrieb für viele Auszubildende und auch für Fachkräfte attraktiver und gewinnt einen gut organisierten, zielstrebigen Auszubildenden. Ausbildungsabbrüche wegen veränderter familiärer Bedingungen können verhindert werden, wodurch bereits investiertes Ausbildungsengagement nicht verloren geht. Finanzielle Nachteile entstehen im Übrigen nicht, da der Betrieb die Ausbildungsvergütung der verkürzten Arbeitszeit anpassen kann. Für Betroffene besteht die Möglichkeit, sich trotz familiärer Verpflichtung beruflich zu qualifizieren. 2009 lag der Anteil der Teilzeitausbildungsverträge im IHK-Bereich zwar noch bei unter 1%. Die Teilzeitausbildung ist aber langfristig eine Chance, mehr Fachkräfte für das Unternehmen zu gewinnen. Die IHK-Organisation wird sich deshalb auch weiter dafür stark machen, die Möglichkeit der Teilzeitausbildung in der Öffentlichkeit zu kommunizieren und die Unternehmen bei der passgenauen Gestaltung von flexiblen Ausbildungszeitmodellen zu unterstützen.

Dr. Birgit Maria Lachenmaier
Dr. Esther Hartwich

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Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Industrie und Handelskammertages e.V. (DIHK),
zu lesen war der Text auch im Berufsbildungsbericht 2011. Herzlichen Dank an die Autorinnen und an den DIHK.

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