Interkulturelle Kompetenz

Understatement, Pitch & more: 5 britisch-amerikanische Rhetorikgeheimnisse, die Sie weiterbringen.

Gut Englisch können Ihre Konkurrenten auch. Doch nur Eingeweihte durchschauen: Briten und Amerikaner drücken sich oft beziehungsförderlicher und gehirngerechter aus als wir. Doris Märtin, promovierte Anglistin, importiert die Erfolgsfaktoren der Briten und Amerikaner nach Deutschland. Denn ob in Boston, Birmingham oder Berlin – Smalltalk, Understatement und good attitude gehören ins Karrieregepäck wie Club-Blazer und Oxford-Hemden.

Die Globalisierung hat auch die Kommunikation erreicht

Wir Deutschen sind im Ausland als sachliche, reflektierte Geschäftspartner geschätzt. Diese Stärken spiegeln sich in unserer Art zu reden wider: Wir vertreten klar unseren Standpunkt, argumentieren inhaltsorientiert und rücken unsere Leistungen ins rechte Licht.

Studien zur interkulturellen Kommunikation zeigen: Diese Sprachgewohnheiten klingen durch, egal ob wir Deutsch oder Englisch sprechen. Auch Fortgeschrittene transferieren muttersprachliche Gesprächsmuster in die Fremdsprache. Dabei fällt unter den Tisch, dass Angelsachsen viele Dinge anders und oft integrativer ausdrücken.

Gerade wenn Sie in Sachen Kommunikation schon vieles kennen, lohnt es sich für Sie, wichtige britisch-amerikanischen Sprachmuster zu reflektieren und feinfühlig zu nutzen. Auf diese Weise treten Sie im Ausland mit mehr kultureller Sicherheit auf. Zudem holen Sie sich rhetorische Denkanstöße für Gespräche und Präsentationen im Inland.
—————-
In ihrem Buch Words don’t come easy importiert die Anglistin Doris Märtin die Erfolgsmuster britisch-amerikanischer Rhetorik nach Deutschland. Denn wie Button-Down-Hemden und Barbourjacken entwickeln sich auch die Kommunikationsformen der Briten und Amerikaner zum weltweit anerkannten Standard. Doris Märtin. Words don’t come easy. Wie Sie von angelsächsischer Konversationskunst profitieren. Frankfurt, Campus-Verlag, 2011. (EUR 17,99) 192 Seiten, ISBN 978-3593389486, oder einfach auf das Buchcover klicken und zum Amazon Angebot gelangen.
—————-
Smalltalk: „Lovely day today“

Mit dem Smalltalk hat der britische Staatsmann Lord Chesterfield vor über 250 Jahren eine Kommunikationsform erfunden, die die Angelsachsen meisterlich beherrschen. Beliebtestes Thema: das Wetter. Als Eisbrecher, Anwärmer und Pausenfüller passt es immer und überall. Die pragmatischen Briten spielen auf seiner Klaviatur in allen Varianten und Variationen.

Was es bringt: Die informellen Andock- und Aufwärmgespräche schlagen Brücken und bieten Gelegenheit, einander zu bestätigen: „Yes, it’s a lovely spring, isn’t it?“ Wer Menschen kennenlernen und für sich einnehmen will, kommt nicht daran vorbei.

Wie es klingt: Um beim Smalltalk groß rauszukommen, muss man keine Pointen abfeuern. Viel wichtiger als das Thema ist die Bereitschaft, Gespräche mit Fragen, Nettigkeiten und leichthin eingeworfenen Auskünften über sich selbst zu beleben. Selbst die Queen hat sie im Repertoire. Königlichen Anschauungsunterricht erhalten Sie, wenn Sie bei youtube eingeben: „The Queen – Tony Blair becomes PM“

Good attitude: „Sure, that’s great!”

Lovely, amazing, sure – Positivfloskeln, Hilfsbereitschaft und eine enthusiastische Einstellung gehören zum englischen Sprachraum wie Vanille-Aroma zum Coffee to go. „Good attitude“ nennen die Amerikaner das Gesamtpaket.

Was es bringt: Die selbstbewusste amerikanische Herzlichkeit ist eine hochentwickelte Erfolgsstrategie. Wer sie pflegt, wirkt sympathischer, arbeitet produktiver, erreicht Ziele leichter und steckt andere damit an – zum Beispiel uns Europäer. Denn auch wenn viele Deutsche amerikanischen Enthusiasmus als oberflächlich empfinden – dem Sound des Wohlwollens können sich wenige entziehen.

Wie er klingt: Zur good attitude gehört es, Energie auszustrahlen und Leistung großzügig zu feiern. Allgegenwärtige Floskeln wie great oder wonderful sind dabei erst der Anfang. Denn was bei uns bestenfalls ein „Sehr schön, danke“ verdient, ist Angelsachsen ein XXL-Lob wert: „I‘m impressed how well you handled the situation.“ Tipp: Satzanfänge wie „Ich bewundere …“ oder „Mich beeindruckt …“ bewirken, dass auch wir Positives individuell anerkennen.

Understatement: „Oh, I am not nearly that clever“

Es ist ein Dreh- und Angelpunkt des britisch-amerikanischen Verhaltensstils: Das Understatement, die Kunst des Sich-nicht-ganz-so-wichtig-Nehmens. Eigene Erfolge werden dabei genauso heruntergespielt wie persönliche Probleme.

Was es bringt: Bei uns gilt ein selbstbewusster Auftritt als Königsweg zum Erfolg. Gebildete Briten und Amerikaner signalisieren Größe oft genau andersherum: Je erfolgreicher man ist, desto mehr nimmt man sich zurück. Verwechseln Sie die Zurückhaltung nicht mit Unsicherheit. Wenn Angelsachsen tiefstapeln, ist dabei häufig Ironie im Spiel und Erreichtes soll möglichst mühelos wirken. „Never let them see you sweat“, heißt die Devise.

Wie es klingt: Die künftige IBM-Chefin Virginia Rometty bezeichnet ihre Karriere „als ein einziges Experiment“, Oscar-Preisträger Colin Firth führt seine jüngsten Erfolge auf den Zufall zurück, „zweimal nacheinander eine exzellente Karte gezogen zu haben“, und Nobelpreisträger Al Gore stellt sich gern mit dem Satz vor: „Ich heiße Al Gore. Ich war einmal der nächste Präsident der Vereinigten Staaten.“

Fairness: „I’m not too happy about it“

In Deutschland finden wir klare Worte zu Recht zielführend. In den angelsächsischen Ländern überwiegt allerdings ein anderer Ton: Bei den Briten gehört es fast zum Nationalcharakter, niemanden in Verlegenheit zu bringen, Amerikaner halten eine Kultur des easy-going hoch. Beides fördert einen abgefederten, gesichtswahrenden Gesprächsstil. Anweisungen, Kritik und Widerspruch sind deshalb oft durch genau die Füllworte und Konjunktive gekennzeichnet, die bei uns als Sprachmüll gelten, den man besser entsorgt.

Was es bringt: Wer eine gemeinsame Lösung anstrebt, darf den Dissens nicht zum Hauptthema machen. Deshalb beschwören Angelsachsen häufig den gemeinsamen Nenner und bringen Einwände so verhalten zum Ausdruck, dass der Gesprächspartner keinesfalls das Gesicht verliert.

Wie es klingt: Bei Konflikten wählen Briten und Amerikaner gern Formulierungen, die einer guten Zahnbehandlung entsprechen: Sie sind so behutsam wie möglich, aber bohrend genug, um zur Wurzel des Übels vorzudringen: „You might want to go over the budget once more.“ Die wolkige Formulierung schont das Ego des Kritisierten und wirkt gelassen und wohlerzogen. Wichtig: Je sachter Sie die Worte wählen, desto bestimmter sollte Ihre Stimme klingen, desto dezidierter Ihre Körpersprache sein. Sonst besteht die Gefahr, dass unsensible Gesprächspartner Sie missverstehen.

Pitch-Rhetorik: „1000 songs in your pocket“Ob Präsentation, Pitch oder Präsidentenrede: Während wir objektiv, faktenreich und rational argumentieren, setzen Briten und Amerikaner ihre Themen bewusst gehirngerecht in Szene. Themen und Ideen werden zugespitzt, emotionalisiert und klangvoll verpackt. Auf diese Weise konnte sich Martin Luther Kings „I have a dream“ ebenso als rhetorisches Weltkulturerbe in den Köpfen verankern wie John F. Kennedys legendärer Chiasmus: „Do not ask what your country can do for you, ask what you can do for your country”.

Was es bringt: Man kann die anglo-amerikanische Rhetorik pathetisch, inszeniert und allzu persönlich finden. Aber sie funktioniert. Denn trockene Einzelfakten, überladene Powerpoint-Folien und ellenlange Punktekataloge überlasten das Gehirn. Bilder, Geschichten, Slogans und Gesten bleiben dagegen im Gedächtnis haften. Aus diesem Grund sprach Steve Jobs selten über Gigabyte und Gehäusegrößen. Stattdessen zog er, als er das McBook pitchte, den damals dünnsten Laptop der Welt aus einem Briefumschlag. Die Geste sprach für sich: Effektvoller kann man es nicht sagen.

Wie es klingt: Geben Sie auf Facebook „30 second speech by Bryan Dyson“ ein und schauen Sie sich eine kurze Rede von Ex-Coca-Cola-Chef Bryan Dyson an. Sie ist ein Beispiel, wie man ein abgedroschenes Bild weiterspinnt und seine Botschaft einprägsam auf den Punkt bringt. Das Beste daran: Man braucht nicht einmal ein rhetorisches Genie dafür zu sein.

Bleiben Sie am Ball

Bücher, Filme, TV-Serien und youTube bringen Ihnen Originaldialoge direkt ins Haus. Bewusstes Hinhören lohnt sich: Wer die Stärken der angelsächsischen Gesprächskultur verinnerlicht, punktet nicht nur in London, L.A. oder sogar Lahore mit mehr kultureller Sicherheit. Der kommuniziert auch zuhause in Lübeck oder Linz reicher und differenzierter.
————————–
Die Autorin Dr. phil. Doris Märtin schreibt, konzipiert und coacht als freie Autorin, Texterin und Kommunikationsberaterin. Ihre Kernkompetenz liegt in den Bereichen Erfolgswissen und Unternehmenssprache. Zu ihren bekanntesten Büchern gehören Smart talk. Sag es richtig (Campus), Erfolgreich texten (Bramann) und Gut ist besser als perfekt. Die Kunst sich das Leben leichter zu machen (dtv). www.dorismaertin.de

Herzlichen Dank an Frau Märtin für Ihre Veröffentlichungsfreigabe.

In ihrem Buch Words don’t come easy importiert die Anglistin Doris Märtin die Erfolgsmuster britisch-amerikanischer Rhetorik nach Deutschland. Denn wie Button-Down-Hemden und Barbourjacken entwickeln sich auch die Kommunikationsformen der Briten und Amerikaner zum weltweit anerkannten Standard. Doris Märtin. Words don’t come easy. Wie Sie von angelsächsischer Konversationskunst profitieren. Frankfurt, Campus-Verlag, 2011. (EUR 17,99) 192 Seiten, ISBN 978-3593389486, oder einfach auf das Buchcover klicken und zum Amazon Angebot gelangen.

Matthias C. J. Dannhorn