Lernen für die Prüfung

Immer wieder werde ich in den Prüfungsvorbereitungskursen, die ich als Trainer verantworte, gefragt: „Wie kann ich mich selbst optimal auf die Prüfung vorbereiten. Wie gehe ich mit schriftlichen Unterlagen um?“

Eine Frage, die nicht pauschal beantwortet werden kann. Es gibt ja bekanntlich verschiedenen Lerntypen und so bereitet sich jeder individuell vor. Manche nutzen Lernkarten, manche müssen in der Gruppe einen Austausch haben und andere wieder gehen mit Ihren Notizen in die Natur und erzählen den Blumen und Gräsern die zu lernenden Inhalte (kein Scherz; ein Bekannter aus Jugendtagen hat sein Pharmaziestudium so erfolgreich absolviert!).

Die Frage nach dem Umgang mit schriftlichen Unterlagen wie Fachbüchern, Skripten und der Vielzahl an Publikationen, die wir durch die neuen Medien erhalten können, kommt aber bei den Nachfragen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen immer wieder vor. So habe ich mich entschlossen, einige Hinweise für den Umgang mit dem fachlichen Material zu geben.

Neu sind diese nicht. Ich muss dazu auch das „Rad nicht noch einmal erfinden“! Aber interessant ist schon, was uns z. B. die Neurobiologen und Gehirnforscher dazu sagen.

Ganz am Anfang steht der Hinweis, dass Sie auch im Umgang mit dem fachlichen Material positive Erfahrungen machen müssen! Ohne diese Erfahrungen wird unser Gehirn nicht besonders motiviert sein, neuen Verbindungen zu knüpfen und den Inhalt als wichtig abzuspeichern. Das ist die Grundlage für den Umgang mit schriftlichen Material. Wenn Ihnen das Fachbuch also nicht gefällt, Sie nicht auch emotional durch die Aufmachung angesprochen werden – z. B. kann schon ein für Sie sympathisch gestalteter Umschlag ausschlaggebend sein – lassen Sie es sein! Die Information gibt es bestimmt auch in anderer Form. Eben in solcher, die Sie anspricht.
Das können z. B. auch farbige Darstellungen sein, die Schriftgröße und der Satzspiegel. Also alles die Elemente, die eine solche Unterlage für Sie „wertvoll“ macht.
Dann sind die Voraussetzungen gut, dass sich die positiven Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit dem Inhalt schnell einstellen.

Und was mache ich dann? Die Neurobiologie gibt uns einige Schritte an die Hand.

Überfliegen
Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, ist: „Lohnt es sich überhaupt, diesen Text zu lesen?“ Die Antwort finden Sie beim Überfliegen. Überfliegen Sie Inhaltsverzeichnisse, Einleitungen und Zusammenfassungen zuerst. Oft reichen diese Informationen schon aus, um beurteilen zu können, ob der Text für Sie wichtig ist oder nicht. Ist die Antwort „nein“, ersparen Sie sich das Weiterlesen.

Fragen
Formulieren Sie eigene Fragen. Was soll sich durch den Text für Sie ergeben? Worauf suchen Sie Antworten? Der Vorteil ist, dass die Formulierung der Fragen Ihnen hilft, den Text wirklich bewusst zu lesen und sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Durch das Fragen entdecken Sie sehr viel leichter und schneller Ihre Wissenslücken und Schwächen. Haben Sie Wissenslücken entdeckt, werden Sie auf die Antworten gespannt sein. So erhält das Lesen einen Sinn. In der Prüfung müssen Sie auch Fragen beantworten. Kombinieren Sie die Beseitigung Ihrer Wissenslücken mit der konkreten Prüfungsvorbereitung.

Lesen
Viele Menschen benutzen z. B: Textmarker, um die wichtigen Passagen zu kennzeichnen. Wenn Sie das auch machen wollen, ist das für mich o. k. Mein Instrument der ersten Wahl ist es nicht.
Sind Sie aber bitte vorsichtig. Zu viele Markierungen lassen wieder einen großen, undurchsichtigen „Nebel“ an gekennzeichneten Passagen entstehen. Weniger ist hier definitiv mehr!
Aber lesen Sie konzentriert. Achten Sie immer wieder darauf, ob Sie den Text nur mit den Augen überfliegen oder wirklich aufnehmen. Können Sie den Text nicht mehr aufnehmen, machen Sie eine kurze Pause und lesen dann weiter.
Es hilft auch, den Text laut zu lesen. Schicken Sie halt derweilen Ihren Partner/Ihre Partnerin oder die Kinder oder beide zum Einkaufen.
Jemanden den Text vorzulesen ist auch eine gute Möglichkeit. So bleiben Sie immer am Inhalt. Außerdem werden Sie bald in eine Modulation kommen, die für den Zuhörer gedacht ist. Sie lesen ja eine Gutenachtgeschichte anders vor, als einen Zeitungsartikel.
Auf alle Fälle hören Sie sich auch selbst zu. Und wenn Sie schön, und ruhig im ersten Moment etwas übertrieben, sich selbst modulieren hören, wird der Inhalt gleich viel freundlicher wirken.
Warum mal nicht einen fachlichen Text so vorlesen, dass er als Märchen von Ihrer Stimme moduliert wurde?!

Festhalten
Im nächsten Schritt betätigen Sie sich als Autor des Fachbuches. Fassen Sie in eigenen Worten und mit dem eigenen Wortschatz den Inhalt noch einmal zusammen.
Das ist ganz wichtig! Wie soll sich Ihr Gehirn etwas merken können, was in einer Sprache verfasst ist, die von einem anderen Planeten stammen könnte?
Sie sollen für Ihre Prüfungsvorbereitung nicht zu einem Wissenschaftler werden. Sie sollen nur die Situation meistern, in die Sie die Prüfung stellt. Und da kommen immer mehr sog. offene Fragen vor.
Diese beantworten Sie aber sicher mit den eigenen Worten. Und wenn Sie durch die Zusammenfassung darin schon geübt sind – na super!
Was bei diesen Zusammenfassungen auch hilft sind bekannte Kreativmethoden, wie z. B. das MindMapping. Aber bitte richtig. Informieren Sie sich erst über die richtige Anwendung solch eines Werkzeugs, bevor Sie es benutzen. Oder gehören Sie auch zu denen, die die Bedienungsanleitung des neuen Toasters nicht lesen?

Überprüfen
Jetzt kommt der letzte Schritt. Legen Sie Ihre Unterlagen zur Seite. Nach einem Tag oder einer Nacht – und bitte berücksichtigen Sie dabei Ihren persönlichen Biorhythmus – holen Sie sich die selbst erstellten Unterlagen wieder vor und versuchen zu ergründen, ob Sie die Inhalte wieder geben könnten.
Ich bin mir fast sicher, dass wenn die Schritte davor für Sie positive Erfahrungen waren, werden Sie beim Schritt Überprüfen einfach nur Staunen.
Wenn Sie nicht ganz sicher sind, schlage Sie nach und vertiefen Sie Ihren Lernfortschritt.

Ich hoffe, ich konnten Ihnen helfen. Viel Erfolg beim Lernen.

Matthias C. J. Dannhorn

———————————————–
Auch zu finden unter dem Begriff „ÜFLFÜ“; z. B. im Buch ‚Tipps zum Prüfungsendspurt‘ aus dem U-Formverlag.