Preisbildung in Onlineshops

Neben den anderen, marketingpolitischen Instrumenten ist die Preisstrategie gerade in Onlineshops ein gewichtiges, strategisches Feld. Innerhalb unserer langjährigen Beauftragung in Marketingprojekten werden wir immer wieder mit Fragen rund ums „Pricing“ konfrontiert. Die technischen Entwicklungen in den vergangen Jahren habe dazu noch deutlich beigetragen. Viele unserer Kunden habe auch ihr Umsatzheil im Internet gesucht.

Dabei ist das Fragespektrum breit gestreut – angefangen bei der Preisbildung im Onlineshop bei gleichzeitiger unverbindlicher Preisempfehlung an evtl. Absatzorgane im parallelen, indirekten und undifferenzierten Absatzkanal, bis zu aggressiven Preisstrategien bei den Online-Angeboten verschiedenster Art (Stichwort: Schnäppchen, Tagesrabatte usw.).

Diese Erfahrungswerte, Trends und Empfehlungen zusammen zu fassen, war schon immer ein Vorhaben von uns. Jetzt ist uns eine renommierte Wirtschaftszeitung zuvor gekommen, der „WirtschaftsKurier“.

Die Chefredakteurin, Frau Elwine Happ-Frank, hat in der Oktober Ausgabe einen Leitartikel veröffentlicht, der einen schnellen Überblick über das aktuelle „Treiben“ in großen und kleinen Onlineshops aufzeigt.

Durch unseren Kontakt zum „WirtschaftsKurier“ können wir  diesen Artikel im Nachdruck hier veröffentlichen. Wir danken ausdrücklich für diese Genehmigung und hoffen, dass Sie sich durch die Inhalte anregen lassen können.

Matthias C. J. Dannhorn
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Der Web-Basar

E-Commerce | Internetshops locken die Kunden mit raffinierten Preisstrategien
Von Elwine Happ-Frank

Wenn ein Kunde einen Stand auf einem bunten Markt in der Türkei, in Tunesien oder Indien besucht, dann taxiert der Händler ihn – und macht einen individuellen Preis für die Ware, die er kaufen will. Der nächste Besucher, der vielleicht ein schickeres Outfit oder eine teurere Uhr trägt, zahlt unter Umständen mehr für das gleiche Teil. Ein anderer, der eher nach Billig-Shopping aussieht, muss eventuell weniger ausgeben. Jahrhundertelang war das die Grundlage aller Handelsaktivitäten. Mit dem Wandel der Märkte ist diese Art des Verkaufs in der Regel nicht mehr üblich. In den kleineren Geschäften und später immer größeren Einkaufszentren setzte sich die einheitliche Bepreisung für das Sortiment durch. Als der E-Commerce Schwung aufnahm, wurde dieses Modell zunächst übernommen.Das Internet ist nach Ansicht vieler Nutzer ein nahezu perfekter Marktplatz. Denn alle Informationen sind sofort verfügbar und die Käufer können die Angebote auf der ganzen Welt miteinander vergleichen. Das Web ist sozusagen ein gerechter, demokratischer Handelsplatz. Soweit die Utopie.

Alte Filme und Trüffelsalz

Denn schon längst wenden die Webhändler immer raffiniertere Preismodelle an. Dabei fußt die Psychologie des digitalen Handels auf ähnlichen Grundsätzen wie auf dem indischen Marktplatz. Nach einer Untersuchung der Unternehmensberatung A.T. Kearney schwankte beispielsweise der Preis für eine Fujifilm-Kamera FinePix Z37 bei den großen US-Internethändlern an einem Tag im Mai 2010 zwischen 84 US-Dollar und 101 US-Dollar – recht viel, wenn das nächste Angebot nur wenige Klicks entfernt ist. Warum haben die Webshops mit ­einer solchen Strategie überhaupt Erfolg?

Darüber kann man nur spekulieren, meinen die Consulter. Vielleicht vertrauen die Kun­den un­bekannten Websites nicht oder die Anbieter weisen auf mögliche Rabatte nicht klar genug hin. Unter Umständen verwirren den Verbraucher so viele Angebote einfach.
Was auch immer die Gründe sein mögen: Es beweist, dass im Internet differenzierte Preisstrategien möglich sind. Allerdings gibt es im digitalen Zeitalter neue Rahmenbedingungen. Denn bei den Webshop-Besuchen entstehen Berge von Daten – und einige Unternehmen sind besser bei der Auswertung als andere. Heute müssen die Anbieter nicht mehr wie früher darauf warten, bis sich die Fans von alten Filmen oder die Liebhaber von Trüffelsalz einem realen Club Gleichgesinnter anschließen, um entsprechende Marketingmaßnahmen zu starten. Heute kann die Kundschaft der Zukunft anhand ihrer Spuren im Web identifiziert werden – und nach verschiedenen Parametern auf ihre Kaufkraft abgeklopft werden.
Mehrere Strategien werden im Internet verfolgt: die dynamische Preisfestsetzung und die Kunden-Mikrosegmentierung – oder eine Kombination aus beidem. Einfache Formen der va­riablen Bepreisung setzt fast jedes ­Unternehmen ein, wenn es sich am ­Lebenszyklus seiner Produkte orientiert. Gefragte Innovationen werden zunächst teuer vermarktet. Die Preise sinken, wenn die Wettbewerber darauf reagieren oder eine neue Generation auf den Markt kommt. Raffinierter sind da schon die Modelle, die mit der Verfügbarkeit kombiniert sind – ein Verfahren, das Airlines bereits seit 15 Jahren anwenden, wobei der Preis pro Flug steigt, je ausgebuchter die Maschine ist. Es gibt aber schon Firmen, die Echtzeit-Preise für ihre Produkte stellen. So hat einer der größten Energieversorger, Commonwealth Edison im US-Bundesstaat Illinois, einen Tarif eingeführt, bei dem die Kosten pro Kilo­watt von Stunde zu Stunde variieren – je nachdem, wie gerade der Großhandelspreis steht.
Eine andere Möglichkeit ist die Einteilung von Kundengruppen. Schon lange erhalten zum Beispiel Senioren Rabatte für Bundesbahn-Tickets und Firmenkunden bei Hotelbuchungen. Dieses System kann via Internet noch viel weiter verfeinert und die Kunden können in Tausende kleine Segmente eingeteilt werden.
Noch bessere Erfolge erzielt man, wenn man beide Preisfindungs-Methoden miteinander verbindet. Autovermietungen in den USA bieten zum Beispiel ihren Kunden unterschied­liche Preise an, je nachdem, was ihre Browserhistorie inklusive der Postleitzahl des Wohnorts und weiterer Daten ergibt. Wenn zum Beispiel ein Kunde von einer Günstig-Shopping-Seite zu dem Autovermieter kommt, erhält er einen niedrigeren Preis als ein Nutzer, der direkt bucht.
Voraussetzung für die Anwendung solcher Modelle ist die Fähigkeit, große Datenmengen zu verarbeiten. Das ist mehr als reine Mathematik. Eine Reihe von Fragen muss beantwortet werden: Wie gut kann man das Kundenverhalten voraussagen? Wie hoch ist der Rabatt, der unterschiedlichen Arten von preissensitiven Shoppern gewährt werden muss? Bei welchem Preisniveau können treue Kunden bei der Stange gehalten werden?

Amazon ist der Champion

Unter allen Internethändlern, die A.T. Kearney untersucht hat, ist Amazon die Firma mit dem ausgefeiltesten System. Natürlich sind die genauen Parameter nur Insidern bekannt. Doch die Unternehmensberatung hat eine Reihe interessanter Punkte herausgefunden. Dafür haben die Consulter die Preisstrategie für die Bestseller in der Kategorie Digital­kamera und Video drei Monate lang jede Stunde analysiert. „Wir waren überrascht, in welchem Ausmaß Amazon die Preisbildung dynamisiert“, so die Berater.
Der Internethändler verändert die Preise ständig. In 72 Stunden wechselten die Kosten für die Hälfte der 25 Top-Produkte in der untersuchten Kategorie mindestens einmal. Amazon geht bei der Preisbildung mit chirurgischer Präzision vor, so die Unternehmens­beratung. Um das gesamte Kunden­potenzial auszuloten, bietet das Unternehmen zum Beispiel einige Produkte in seltsamen Kolorierungen an, um ­höhere Preise für beliebte Farben zu rechtfertigen.
Am faszinierendsten fanden die Consulter aber die Strategie von Amazon bezüglich der Beststeller-Listen. Der Webhändler nutzt dabei ein niedriges Preisniveau, um bestimmte Angebote „heiß“ zu machen. Wenn dann das Produkt das Ranking emporklettert, steigt entsprechend der Preis. Wenn das den Kunden zu teuer wird, fällt das Produkt wieder in der Gunst. Amazon reagiert darauf mit einer entsprechenden Preisreduktion und hat damit diverse Male den Zyklus neu in Gang gesetzt. Mit diesem System bildet Amazon die Fähigkeiten des Händlers auf dem Marktplatz ab.
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Quell- und Veröffentlichungshinweise: Der Artikel wird im genehmigten Nachdruck publiziert und ist im WirtschaftsKurier erschienen.
Die Autorin ist Frau Elwine Happ-Frank (Chefredakteurin).
Die verwendeten Bilder stammen ebenfalls vom Erstverfasser.