Rhetorik im Beutel – oder – ich bin es selbst!

Vor über 25 Jahren bin ich – als junger, dem Alter entsprechend unerfahrener Mann – in den Verkauf gegangen.
Unerfahren auch deshalb, weil ich in diesem Alter noch kein so ausgeprägtes Selbstverständnis hatte. Ich wusste zwar, dass ich Talente besitze, welche dies aber genau waren, war für mich eher noch mit einem Schleier belegt.
Mit diesem Selbstbewusstsein kam ich dann in die für mich vorgesehenen Verkaufstrainings. Die Trainer gaben uns Mitte der 80ger Jahren das „Handwerkszeug“ mit, das damals bekannt war. So kam es auch, dass wir mit „Verkaufspsychologie“, „Fragetechniken“ und anderen „Tipps und Tricks“ ausgestattet wurden.

Auch später gab es einschneidende Erlebnisse mit Trainingseinheiten, welche diese Themen aufgriffen und vertiefen wollten?!

Irgendwann hab ich dann gemerkt, dass fast nur meine Authentizität über Erfolg oder Misserfolg entschied. Nach dieser Erkenntnis begab ich mich bewusst und verstärkt auf den „Selbsterfahrungsweg“. Je mehr ich über mich lernte und zu dem Schluss kam: „Ich bin es selbst, der den Erfolg begründet!“, desto mehr und nachhaltiger hatte ich Erfolg. Plötzlich gab es auch die Möglichkeit für mich, mir über Kundenbindung Gedanken zu machen. Irgendwann hat dann mal ein für mich wichtiger Kollege gesagt: „Deine Masche ist es, keine Masche zu haben!“

Unter diesem Eindruck frage ich: „Was haben diese vielen Seminare gebracht?“ Heute trainiere ich selbst. Ich berate Firmen im CRM und befähige die Mitarbeiter, ihre individuelle Kundenbindung zu leben. Mein Trainingsansatz ist hierbei immer wieder die Bewusstung der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Teilnehmer. Daraus kann dann das entstehen, was „empowerment“ meint.

Auch nach so langer Zeit begegnen mir Menschen – jetzt sind es meist Trainerkollegen – die darauf hinweisen, wie wichtig meine und jedermanns Selbstverständnis für einen beruflichen Erfolg ist. Einer davon ist Oliver Groß.
Zu diesem Thema hat Herr Groß einen Artikel veröffentlicht, den wir hier mit freundlicher Genehmigung für Sie veröffentlichen. Es geht um die vielen Trainingsangebote und was davon wirklich hilft?!

Ich wünsche viel gute Anregung.

Matthias C. J. Dannhorn
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Rhetorik im Beutel?

Da steht nun unser Verbraucher vor dem Teeregal im Supermarkt, konfrontiert mit Hunderten von Teesorten und überlegt, wie er sich denn gerade fühlt. Welchen Tee soll er kaufen: Momente der Liebe, um die Beziehung aufzupeppen, den Wellnesstee, um sich mal eben kurz zu erholen oder greift er lieber zum Glückstee, weil ihm das Leben gerade nicht wohl gesonnen ist? Vielleicht bin ich im Moment auch etwas aus dem Gleichgewicht, denkt er, als er den Tee mit der Aufschrift für die ganzheitliche Harmonie und inneres Gleichgewicht in der Hand hält? Dann sieht er den Tee „Fit in den Tag“, ja, dass ist es was er braucht und damit geht er zur Kasse. Gut, er ist ein wenig teurer als andere, aber er hilft ja auch.

Am nächsten Morgen, das Wasser kocht und der Teebeutel „Fit in den Tag“ wird aufgebrüht. Voller Erwartung trinkt unser Verbraucher seinen Tee und wartet. Wann kommt die Explosion, wann die Energie. Er trinkt eine zweite Tasse und jetzt dämmert es ihm: Er hätte nur etwas früher ins Bett gehen sollen, denn der Energieschub bleibt aus. Oder hat er nicht genug daran geglaubt? Sein Blick geht zum Abreißkalender und er liest den Spruch: Du kannst auch den Kopf einer Sardine anbeten, wenn du daran glaubst, wird er dir helfen (Konfuzius).

So wie unserem Verbraucher geht es vielen Unternehmern, Managern und vor allem Verkäufern. Sie stehen vor dem Regal Rhetorikseminare, die es ähnlich wie das Teesortiment, an Vielfalt nicht fehlen lassen:

Greife ich doch lieber zu einem Seminar Verkaufspsychologie oder wähle ich am besten die Schlagfertigkeitsrhetorik?

– Ist jetzt die Verkaufsrhetorik oder Powerrhetorik besser?
– Nehme ich jetzt Verkaufsrhetorik für Techniker, Dienstleister oder Berater?
– Rhetorik und Präsentation oder Präsentation mit Rhetorik?
– Rhetorik für den Mittelstand oder den Kaufmann?
– Wo ist die eierlegende Wollmilchsau?

Es werden Erwartungen geweckt, deren Erfüllung nicht erstrebenswert ist.

Seminare, auch wenn sie ihre Zielgruppe mit klaren Titeln wie; „Rhetorik für Verkäufer o.ä.“ lockt, sind nicht die Lösung. Warum? Der Verkäufer steht unter einem Erwartungs- und Leistungsdruck, der ihn nicht mehr er selbst sein lässt. Die Firma hat das Seminar bezahlt und der Mitarbeiter (Verkäufer) weiß auch, dass jetzt schnell Erfolge hermüssen, das Seminar soll sich ja rechnen. Sie fühlen sich nicht wirklich wohl als jemand der mit Manipulation und versteckten Psychotricks arbeitet um Erfolg zu haben. Ist das wirklich so?

Der Verkäufer kann nicht mehr authentisch sein, denn er will sein erlerntes Wissen anwenden und so geschieht es, das er beim Kunden nur darauf schaut, welche der erlernten Elemente er anwenden muss. Nicht selten geht es soweit, dass der Verkäufer nicht nur versucht seinen Kunden zu überreden, nein, er versucht auch seine eigene Firma zu überzeugen. Nach dem Motto: Seht her, ich mache es so wie ihr erwartet. Der Mitarbeiter vertritt nicht mehr sein Unternehmer, präsentiert nicht mehr dessen Philosophie und Kultur, sondern versucht mit wenig Aufwand das Optimum in kürzester Zeit zu erreichen. Ein Verkäufer, der mit Tricks, Methoden und Tools vollgestopft wird, kann nicht entspannt sein, er ist verkrampft und steht unter dem permanenten Druck, das zu tun, was er gelernt hat.

Er geht zu seinem Kunden um zu beweisen, dass seine Verkaufsrhetorik funktioniert und nicht nur dem Kunden, nein, er muss es auch der Firma beweisen, denn schließlich hat sie die Maßnahme bezahlt. Natürlich geht das nicht ohne Verlust. Das natürliche Selbstbewusstsein weicht einer übertriebenen und aggressiven Selbstdarstellung, die auch nicht zulässt, die Firma und deren Philosophie, Image und Kultur zu repräsentieren.

Doch Verkäufer sind besser als ihr Ruf!
Sie fühlen sich nicht wirklich wohl als jemand der mit Manipulation und versteckten Psychotricks arbeitet um Erfolg zu haben. Nein, sie wissen, dass Nachhaltigkeit und Kontinuität im Verkauf nur auf ihrer Authentizität beruht, was auch erfolgreiche Verkaufsleiter und Unternehmer aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen unterschreiben. Die meisten Verkäufer beeindruckten vor allem damit, dass jeder individuell für sich eine klare Wertevorstellung definiert hat. Doch irgendwie hat es sich fest verankert, dass der Verkäufer Tricks und Methoden benötigt, um erfolgreich zu sein.

Verkaufsrhetorik – was soll das sein?
Wenn die Rhetorik glaubwürdig sein soll – das erlangt sie durch Authentizität – kann es nur eine Rhetorik geben – die authentische Rhetorik. Unterscheidet man Rhetorik, in allgemeine Rhetorik, Gesprächsrhetorik, Verkaufsrhetorik und Verhandlungsrhetorik, so stellt sich automatisch die Frage, wann ist ein Redner wo authentisch? Nein, es erinnert eher an Rezepte in denen Manipulation scheinbar eine Rolle spielt und genau dann passiert das, was schon Aristoteles trefflich bemerkte: „Es ist ein Unterschied, ob jemand überredet oder überzeugt“.

Oliver Groß, Jahrgang 1959, ist ausgebildeter Rhetor, Autor, Praxisphilosoph und Redner.
Nach abgeschlossener Handwerkslehre bestand er mit 22 Jahren seinen Meisterbrief. 1982 wurde er Bereichsleiter bei einem großen deutschen Dienstleistungsunternehmen und war kurze Zeit später als Mitglied der Geschäftsleitung bereits für 300 Mitarbeiter verantwortlich. Neben seiner beruflichen Tätigkeit studierte Oliver Groß die Psychologie und Philosophie mit den Schwerpunkten Werteorientierung und Kommunikation. 1993 machte er sich als Seminarleiter und Dozent selbständig.
Oliver Groß begegnet seinen Zuhörern mit einer liebenswerten, humorvollen Art und viel Verständnis und Wärme gepaart mit Nachdenklichkeit und Provokation. Er findet immer einen Bezug zur Realität. Er sieht viel und betrachtet genau.
Wir danken Herr Groß an dieser Stelle ausdrücklich für die Veröffentlichungsgenehmigung.
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