Warum Generation Y Yuppies unglücklich sind

Sag Hallo zu Lucy.

Lucy gehört zur Generation Y. Das ist diejenige Generation, die zwischen den späten 1970ern und den mittleren 1980ern geboren ist. Sie ist auch Teil der Yuppie-Kultur, zu denen die meisten der Gen Y gehören.

Ich habe eine bestimmte Bezeichnung für die Gen-Y-Altersgruppe, ich nenne sie Gen Y Protagonisten & Spezielle Yuppies – oder GYPSY (etwa: heimatlose Herumtreibende; wörtlich: Zigeuner). Ein GYPSY ist eine besondere Art von Yuppie, einer, der glaubt ein Hauptcharakter in einer sehr außergewöhnlichen Geschichte zu sein.

Lucy genießt also ihr GYPSY-Leben und sie ist sehr zufrieden damit, Lucy zu sein. Das einzige Problem ist folgendes:

Lucy ist irgendwie unglücklich.

Um herauszufinden warum, müssen wir zuerst feststellen, was jemanden überhaupt glücklich oder unglücklich macht. Und das lässt sich über eine ganz einfache Formel ausdrücken:

Glück = RealitätErwartungen

Das ist eigentlich ganz logisch: wenn sich das Leben von jemandem als besser als erwartet herausstellt, ist er glücklich. Wenn die Realität nicht die Erwartungen erfüllen kann, ist er unglücklich.

Lasst uns Lucys Eltern mit in die Diskussion holen, um das alles in einen Kontext zu setzen:

Lucys Eltern wurden in den 50ern geboren, sie gehören zu den Baby-Boomern. Sie wurden von Lucys Großeltern aufgezogen, die wiederum zu der „G.I. Generation“, oder der „Großartigsten/Größten Generation“ gehören. Das sind diejenigen, die während der großen Depression aufwuchsen und im zweiten Weltkrieg kämpften und waren definitiv keine GYPSYs.

Lucys (Depressions-Ära-) Großeltern waren getrieben von finanzieller Sicherheit und erzogen ihre Eltern dazu, handfeste Arbeit auszuüben und nach einer sicheren Karriere zu streben. Sie wollten, dass es ihnen mal besser gehen wird als ihnen selbst, und Lucys Eltern wuchsen also auf in dem Glauben an und dem Streben nach einer erfolgreichen und stabilen Karriere. Und da sah ungefähr so aus:

Ihnen wurde beigebracht, dass sie nur viele Jahre der harten Arbeit investieren müssten, und dann würden sie schon den saftigen grünen Rasen einer erfolgreichen Karriere genießen können.

Nachdem sie ihre Hippie-Zeit hinter sich gelassen hatten, waren Lucys Eltern bereit für eine Karriere. Während der 70er, 80er und 90er erfreute sich die Welt einer beispiellosen Zeit des wirtschaftlichen Wachstums. Lucys Eltern erging es sogar besser, als sie es erwartet hatten. Das stimmte sie befriedigt und optimistisch.

Mit einer positiveren Lebenserfahrung als sie ihre Eltern hatten, zogen sie Lucy im Glauben an Optimismus und grenzenlose Möglichkeiten auf. Und damit waren sie nicht allein. Baby-Boomers im ganzen Land (U.S.A. , anm. d. Übers.) und der ganzen Welt erzählten ihren Gen Y Kindern, dass sie werden könnten, was auch immer sie wollten, und verankerten den Identitätsglauben, eine besonderer Protagonist zu sein, tief in ihren Psychen.

Die GYPSYs fühlten sich voll von Hoffnung in Bezug auf ihr berufliches Leben, bis hin zu einem Punkt, an dem das Ziel ihrer Eltern, der grüne Rasen des sicheren Wohlstands, nicht mehr ausreichte. Ein für GYPSYs angemessener Rasen muss Blumen haben.

Damit kommen wir zu unserer ersten Feststellung bezüglich GYPSYs:

„Ich schätze, ich könnte Präsident werden… aber will ich das tief in mir drin wirklich? Nein… nein, das wäre mich zur Ruhe zu setzen.“

Die GYPSYs suchen viel mehr in einer Karriere, als einen schönen grünen Rasen des sicheren Wohlstands. Tatsächlich ist ein grüner Rasen nicht einzigartig oder individuell genug für einen GYPSY. Die Baby-Boomer wollten den Amerikanischen Traum leben, die GYPSYs hingegen ihren persönlichen Traum. Cal Newport (Autor und Assistenzprofessor der Informatik an der Universität Georgetown; Anm. d. Übers.) betont, dass „Folge deiner Leidenschaft“ erst in den letzten 20 Jahren ein stehender Begriff geworden ist. Dabei beruft er sich auf Googles Ngram Viewer, einer Software, die anzeigt, wie oft ein Begriff in einem bestimmten Zeitraum in der englischen Schriftsprache auftritt. Die gleiche Software zeigt auch, dass „sichere Karriere“ aus der Mode gekommen ist, sowie „eine erfüllende Karriere“ sich größerer Beliebtheit erfreut.

Nur um das klarzustellen: GYPSYs wollen sicheren Wohlstand genauso wie es auch ihre Eltern wollten. Sie wollen darüber hinaus aber auch erfüllt sein von ihrem Beruf und das ist ihnen wichtiger, als es ihren Eltern war.

Aber dann passiert noch etwas anderes. Währen die Karriereziele der Gen Y individueller und ambitiöser geworden sind, hat Lucy auch noch eine weitere Nachricht in ihrer Kindheit mitbekommen:

Du bist etwas Besonderes!

Jetzt ist wohl eine gute Zeit, unseren zweiten Fakt über die GYPSYs einzubringen: GYPSYs sind wahnhaft/besessen.

„Sicher“, hat man Lucy erzählt, „ jeder wird einen erfüllenden Beruf ergreifen, aber ich bin ungewöhnlich wunderbar und als solche wird auch meine Karriere etwas ganz besonderes sein.“ Also, zusätzlich zum Ziel der gesamten Generation, einen beblümten Karriere-Garten zu haben, denkt jedes einzelne GYPSY-Mitglied, dass sie oder er für etwas noch besseres bestimmt ist – ein strahlendes Einhorn, das über dem beblümten Rasen schwebt.

Und warum ist das ein Irrtum? Weil jeder der GYPSYs glaubt etwas besonderes zu sein und das widerspricht der Definition des Besonderen: „Besondere, das vom Gewohnten, Normalen abweichend.“

Nach dieser Definition sind die meisten Menschen nicht besonders – ansonsten würde „besonders“ nichts bedeuten. Sogar jetzt denken sich diejenigen GYPSYs, die das lesen, „Gutes Argument… ich aber bin tatsächlich einer der wenigen Besonderen“ – und da liegt das Problem.

Eine zweite GYPSY-Verirrung zeigt sich, wenn ein GYPSY den Arbeitsmarkt betritt. Während die Erwartungen von Lucys Eltern waren, nach langen Jahren der harten Arbeit schließlich eine ansehnliche Karriere zu haben, sieht Lucy eine ansehnliche Karriere für eine besondere Person wie sie als gegeben an und so ist es für sie nur eine Frage der Zeit und der Wahl einen Weg einzuschlagen.

Bedauerlicherweise ist die Welt nicht so einfach und das blöde an Karrieren ist, das sie tatsächlich ziemlich mühsam sind. Große Karrieren benötigen Jahre der schweißtreibenden Arbeit – sogar diejenigen ohne Blumen oder Einhörner – und sogar die Erfolgreichsten machen keine sonderlich großartigen Dinge in ihren frühen oder Mid-Zwanzigern.

Aber ein GYPSY wird das doch nicht akzeptieren.

Paul Harvey, Professor an der Universität New Hampshire und GYPSY-Experte, hat sich mit diesem Forschungsfeld beschäftigt. Er fand heraus, dass die Gen Y „unrealistische Vorstellungen“ hat, „einen starken Widerstand gegenüber negativem Feedback“ zeigt und über ein „aufgeblähtes Selbstverständnis“ verfügt. Er sagt weiter, dass „bei Menschen mit sehr hohen Eigenansprüchen Frustration entsteht, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden. Sie fühlen sich oft zu höheren Zielen berufen, die nicht vereinbar sind mit ihren tatsächlichen Fähigkeiten und Anstrengungen und so bekommen sie vielleicht nicht den Respekt und die Bestätigung, die sie eigentlich erwarten.“

Für diejenigen, die Gen-Y-Mitglieder einstellen möchten, schlägt er folgende Fragen vor: „Fühlst du dich deinen Mitarbeitern/Mitschülern/etc. überlegen und wenn ja, warum?“ Er sagt, „wenn der Interviewte Ja antwortet, aber sich mit der zweiten Fragenhälfte schwertut, könnte ein Problem mit dem Gefühl der Berufenheit vorliegen. Das geschieht, weil das Gefühl zu etwas Besonderem bestimmt zu sein, oft in einer unbegründeten Überzeugung von Überlegenheit und Anspruch zum Verdienst liegt. Sie wurden dazu verleitet – vielleicht durch übertriebenen Aufbau von Selbstvertrauen in ihrer Jugend – zu glauben, dass sie irgendwie besonders seien, es mangelt aber oft an irgendeiner Rechtfertigung dieses Glaubens.“

Und da im echten Leben Leistung belohnt wird, befindet sich Lucy ein paar Jahre nach Abschluss der Uni hier:

Lucys extreme Ansprüche, gepaart mit ihrer aus Selbstüberschätzung herrührenden Arroganz, führen zu enormen Erwartungen in ihr und das schon in den ersten Jahren nach der Hochschule. Ihre Realität verblasst im Vergleich zu diesen Erwartungen und lässt ihren „Realtitäts-Erwartungs“-Wert ins Negative rutschen. Und es kommt noch schlimmer. Zu all dem haben GYPSYS noch ein weiteres Problem:

GYPSYs sind Getriebene, sie sind Gejagte.

Zugegebenermaßen sind einige ehemalige Mitschüler oder -studenten von Lucys Eltern erfolgreicher als sie selbst geworden. Man hört von Zeit zu Zeit, was bei denen los ist, aber wirklich viele Einblicke in andere Karriereabläufe bekamen sie hingegen nicht.

Lucy andererseits wird ständig getrieben von einem modernen Phänomen: die Selbstdarstellung auf Facebook.

Die sozialen Medien kreieren für Lucy eine Welt, in der

a) alles, was jemand macht, sehr öffentlich ist,
b) die meisten Leute eine überzogene Version von ihrem Leben abbilden und
c) die Leute, die am meisten über ihre Karriere (oder Beziehung) berichten, in der Regel am besten damit klarkommen.

Andere, denen das Leben schwerer fällt, neigen dazu, das nicht zu öffentlich zu machen. Dieser Umstand vermittelt Lucy das falsche Gefühl, dass es jedem anderen so richtig gut geht, was noch ihre missliche Lage verstärkt.

Deshalb ist Lucy also unglücklich, oder zumindest frustriert. Tatsächlich hat sie ihre Karriere wahrscheinlich perfekt gestartet, aber sie ist immer noch enttäuscht.

Hier ist mein Ratschlag für Lucy:

1) Bleibe von Ambitionen getrieben. Die heutige Welt ist voll von Möglichkeiten für ambitionierte Personen. Die genaue Richtung mag unklar bleiben, das wird sich schon ergeben – fang einfach irgendwo an.

2) Hör auf zu denken, du wärest etwas Besonderes. Tatsache ist, du bist nichts Besonderes. Du bist einer von vielen unerfahrenen Berufseinsteigern und hast noch nicht viel zu bieten. Du kannst etwas Besonderes werden, indem du für lange Zeit hart arbeitest.

3) Ignoriere alle anderen. Dass der Rasen der anderen grüner erscheint, ist nichts neues. Aber in der heutigen Welt der Selbstdarstellung in sozialen Netzen erscheint das Grün der anderen schon mal wie eine prächtige Aue. In Wahrheit ist jeder andere auch unentschlossen, von Selbstzweifeln durchtrieben und genauso frustriert wie du auch. Und wenn du einfach dein Ding machst, dann wirst du auch nie einen Grund sehen, andere zu beneiden.


————————-

Dies ist eine Übersetzung des ursprünglichen Artikels von ‚Tim Urban‘ ; ‚Why Generation Y Yuppies Are Unhappy“.
Der Originalartikel kann unter folgendem Link gelesen werden. Er gilt als ein Schlüsselartikel zur Diskussion über und unter der G-Y.
Sämtliche Urheberrechte des Originaltextes liegen beim Autor. Es handelt sich hierbei um eine freie Übersetzung. Mögliche Übersetzungsfehler sind vorbehalten. Bei anderen Rechten, als den uns bekannten, freuen wir uns über eine kurze Mitteilung über unser Kontaktformular.

Übersetzer: Christopher Reich (herzlichen Dank!).

Die Bilder stammen aus ‚Simplify 4. CD-ROM: Mehr als 1000 Illustrationen von Werner Tiki Küstenmacher‘ und der damit verbunden Lizenz zur Verwendung der Illustrationen auch für gewerbliche Zwecke.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.